Die Ampelkoalition hat ihren mühsam ausgehandelten Koalitionsvertrag veröffentlicht (abrufbar hier) und in diesem auch Einblicke in ihre Steuerpläne gewährt. Auch wenn die Ziele in einigen Punkten entsprechend vage gehalten sind, so lohnt gleichwohl ein Blick auf die Vorhaben und Projekte der künftigen Regierung.
Die Ziele im Kurzüberblick
Das Thema Steuern wird auf den Seiten 164 ff. des Koalitionsvertrages behandelt und umfasst – grob zusammengefasst – die folgenden Steuerpläne der neuen Regierung:
- Vereinfachung des Steuersystems für Menschen und Unternehmen durch Digitalisierung und Entbürokratisierung der Steuerverwaltung
- Intensive Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung
- Investitionsprämien für Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter schaffen (u.a. durch eine „Superabschreibung“ in 2022/2023)
- Verlängerung der Verlustverrechnung bis Ende 2023 und Ausweitung des Veranlagungszeitraumes
- Prüfung und Anpassung des Optionsmodells und der Thesaurierungsbesteuerung (u.a. mit Blick auf die Stärkung der Eigenkapitalausstattung)
- Verlängerung der Homeoffice-Regelung für Arbeitnehmer bis zum 31.12.2022
- Erhöhung des Ausbildungsfreibetrags von 924 EUR auf 1.200 EUR
- Vollabzug der Rentenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben ab 2023
- Senkung der Steigerung des steuerpflichtigen Rentenanteils ab 2023 auf 0,5% (statt 1%)
- Erhöhung des Sparerpauschbetrages auf 1.000 EUR (2.000 EUR bei Zusammenveranlagung)
- Flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer für Länder, um Erwerb selbst genutzten Wohneigentums zu erleichtern
- Schließen von steuerlichen Schlupflöchern beim Immobilienerwerb von Konzernen (Share Deals)
- Weiterentwicklung der Einfuhrumsatzsteuer mit den Ländern
- Klarstellungen zur politischen Betätigung/tagespolitischen Stellungnahmen gemeinnütziger Organisationen
- Vereinfachung von Sachspenden an gemeinnützige Organisationen (u.a. auch zur Vermeidung der Vernichtung der Waren)
Vollzug / Vereinfachung und Digitalisierung
Abgesetzt von den allgemeinen Steuerthemen macht die künftige Regierung in einem gesonderten Abschnitt auch Ausführungen zur geplanten Novellierung des Vollzuges, wozu unter anderem Folgendes gehören soll:
- Stärkung des BMF, des Zolls, des BZSt, der BaFin und der FIU
- Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens (u.a. mit vorausgefüllten Steuererklärungen („Easy Tax“) und digitaler Interaktion mit der Verwaltung)
- Modernisierung der Steuerprüfung im Bereich der Unternehmensbesteuerung
Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuergestaltung
Auch dem Thema Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuergestaltung haben die Koalitionäre einen eigenen Abschnitt gewidmet und sich unter anderem auf folgende Maßnahme geeinigt:
- Ausweitung der Mitteilungspflicht auf nationale Steuergestaltungen
- Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug mit den Ländern und Einführung eines elektronischen Meldesystems für Rechnungen
- Unterbindung missbräuchlicher Dividenden-Arbitrage-Geschäfte und konsequente Rückforderung von Steuerschäden
- Einsatz für Einführung einer globalen Mindestbesteuerung und konsequente Aktualisierung der EU-Steueroasen-Liste
Bewertung der Pläne
Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Finanzressort von der FDP geleitet werden wird und naturgemäß deren Handschrift trägt, enthält das vorgelegte Koalitionspapier wenig Überraschendes.
Wind Of Change vs. Digitalisierungsrückstand
Erwartungsgemäß – und ganz „FDP-like“, wie es die Koalitionäre wahrscheinlich formulieren würden – nimmt das Thema Digitalisierung in dem Koalitionsvertrag eine dominante Rolle ein und wird erfreulicherweise auch für das Besteuerungsverfahren betont.
Ob der frische Wind, der durch die Digitalisierungspläne der künftigen Regierung aufkommen soll, sukzessive zu einem lauen Lüftchen abflachen wird, hängt dabei jedoch insbesondere davon ab, ob die IT der Finanzverwaltung die Pläne technisch umsetzen kann und ob die Verwaltungspraxis die Pläne sodann auch zügig umsetzen wird.
Es bleibt daher unter anderem abzuwarten, ob das Vorhaben „Easy Tax“ wirklich „easy“ wird oder ob den hehren Zielen nicht doch mal wieder unzureichende Schnittstellen zur Nutzung etwaiger Software, übermäßige Anforderungen an die technische Anbindung und für den Bürger unverständliche bzw. überfrachtete Hinweise, Anleitungen und FAQs entgegenstehen werden.
Steuergestaltung im Fokus
Mit Blick auf das Thema „Steuerhinterziehung und Steuergestaltung“ mutet es durchaus merkwürdig an, dass zukünftig – jedenfalls laut der undifferenzierten Überschrift des Abschnittes – auch die Steuergestaltung „bekämpft“ werden sollte. Die harsche Überschrift dürfte bei genauer Betrachtung indessen eher der Cum-Ex-Affäre geschuldet sein und nicht als Kampfansage an Holdingstrukturen, Poolgestaltungen und Umstrukturierungen verstanden werden. So relativieren auch die Koalitionäre in dem ersten Satz des folgenden Abschnittes, dass es um die Bekämpfung „aggressiver“ Steuergestaltungen und Steuervermeidungsmodelle gehen soll – und damit vermutlich doch in erster Linie um Cum-Ex & Co.
Ergebnis
Alles in Allem ist festzuhalten, dass die Ampelkoalition erfreulicherweise mehr als zwei Ideen hat, was sie im Bereich Steuern und Steuervollzug gerne verändern möchte.
Dabei ist aus Sicht der Praxis sehr zu begrüßen, dass die Digitalisierung zügig vorangetrieben und unter anderem auch mit „Superabschreibungen“ unterstützt werden soll. Die „Easy Tax“-Pläne verdeutlichen im Übrigen, dass vereinfachte Steuererklärungen auch bei der Ampelkoalition noch nicht ad acta gelegt worden sind. Man darf insoweit mit Spannung beobachten, ob das Vorhaben – das getrost auch „Projekt Bierdeckel 2.0“ hätte heißen können – gelingen wird.
Ihre Ansprechpartner: Henrique Leimkuhl-Schulz | Demis Tarampouskas
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