Zum Anspruch auf Rückzahlung von Lohn gegen Arbeitnehmer im Home-Office – Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern

Mit Urteil vom 28.09.2023, Az. 5 Sa 15/23, hat das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LAG Mecklenburg-Vorpommern) auch für das Arbeiten im Home-Office klargestellt, dass Arbeitgeber grds. die Darlegungs- und Beweislast dafür tragen, ob und in welchem Umfang Arbeitnehmer ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt haben. Das Urteil ist abrufbar unter folgendem Link.

 

Zum Sachverhalt

Die beklagte Arbeitgeberin betreibt eine Tagespflegeeinrichtung sowie eine Einrichtung des betreuten Wohnens. Die Arbeitnehmerin war ab dem 01.12.2021 als Pflegemanagerin und leitende Pflegefachkraft bei der Arbeitgeberin mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden tätig. Die Arbeitnehmerin arbeitete zum Teil im Home-Office. Ihre Arbeitszeiten hatte sie in einer vorgegebenen Tabelle nach Arbeitsbeginn und Arbeitsende zu erfassen. Insbesondere hatte die Arbeitnehmerin die Aufgabe, das Qualitätshandbuch und andere für das Pflegemanagement erforderliche Unterlagen zu überarbeiten. Das Arbeitsverhältnis wurde ordentlich zum 31.05.2023 beendet.

Die Arbeitgeberin forderte die Arbeitnehmerin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses dazu auf, Lohn für 300,75 Arbeitsstunden (insgesamt 7.112,74 €) zurückzuzahlen. Es handelt sich dabei um Arbeitszeiten, welche die Arbeitnehmerin als Zeiten im Home-Office in einer dafür vorgesehenen Tabelle angab. Die Arbeitgeberin behauptete, die Angaben der Arbeitnehmerin zu den Zeiten im Home-Office seien falsch. Sie erklärte hierzu, dass die Arbeitnehmerin keine Änderungen an den Qualitätshandbüchern vorgenommen habe und es auch keine sonstigen Ausarbeitungen oder Arbeitsdokumente gegeben habe. Die Arbeitnehmerin habe bewusst und gewollt zum Teil keinerlei Arbeitsleistung im Home-Office erbracht und die Arbeitgeberin wahrheitswidrig darüber getäuscht, das Qualitätshandbuch fertiggestellt zu haben.

Die Arbeitnehmerin trug vor, dass sie sehr wohl Arbeitsleistungen erbracht habe und legte hierfür u.a. bzgl. des betreffenden Zeitraums E-Mails an Mitarbeiter der Arbeitgeberin vor. In den Mails waren verschiedene Word-Dokumente im Zusammenhang mit dem Qualitätshandbuch zu finden. Auch waren, auch wenn sie nicht den dienstlichen Laptop genutzt hatte, E-Mails mit dienstlichen Inhalten der Arbeitnehmerin in dem Zeitraum zu finden. Sie habe mit ihrem privaten Laptop gearbeitet, da eine andere Arbeitnehmerin den dienstlichen Laptop genutzt habe. Zudem habe sie während der angegebenen Zeiten auch u.a. Pflegedienste ausgeführt.

 

Inhalt des Urteils

Nachdem das erstinstanzliche Arbeitsgericht Stralsund der Arbeitnehmerin ihre Lohnansprüche zusprach, hat auch das OLG Mecklenburg-Vorpommern entschieden, dass die Arbeitnehmerin Gehaltszahlungen für die streitigen Arbeitszeiten im Home-Office beanspruchen kann. Ein Vergütungsanspruch ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag, § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Das Gericht verweist zur Begründung darauf, dass die Arbeitgeberin vorliegend nicht hinreichend dargetan hat, dass die Arbeitnehmerin ihrer Pflicht zur Arbeit im Home-Office nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich tragen Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass und in welchem Umfang Arbeitnehmer ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt haben. Arbeitnehmer sind im gerichtlichen Verfahren sodann in der Pflicht, auf diesen Vortrag der Arbeitgeber substantiiert zu erwidern.

Vorliegend hat die Arbeitgeberin schon nicht dargelegt, in welchem Umfang die Arbeitnehmerin im Home-Office ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt und keine Arbeitsleistungen erbracht habe. Vielmehr war für das Gericht mit den vorgelegten E-Mails klar, dass die Arbeitnehmerin im Home-Office verschiedene Arbeitsleistungen erbracht hat. Es spielte auch keine Rolle, dass die Arbeitnehmerin keine komplette und abschließende überarbeitete Fassung des Qualitätshandbuchs übersandt hatte. Daraus ergebe sich nicht, dass die Arbeitnehmerin, wie von der Arbeitgeberin behauptet, im Home-Office überhaupt nicht gearbeitet hat. Zudem ist es unerheblich ist, ob die Arbeitnehmerin die ihr übertragenen Arbeiten in der gewünschten Zeit oder in dem gewünschten Umfang erledigt hat. Denn nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 17.01.2008 – 2 AZR 536/06, Rn. 16) genügen Arbeitnehmer ihrer Leistungspflicht, wenn sie unter angemessener Ausschöpfung ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten.

 

Folgen für die Praxis

Wenn ein Arbeitgeber der Ansicht ist, dass ein bestimmter Arbeitnehmer im Home-Office gar nicht arbeitet oder nicht die von ihm angegebene Anzahl von Arbeitsstunden erbracht hat, muss der Arbeitgeber im Prozess einen entsprechenden Nachweis erbringen. Aus Sicht von Arbeitgebern drängt sich teilweise sogar der Verdacht des Arbeitszeitbetruges auf, der nicht nur eine Pflichtverletzung aus dem Arbeitsvertrag darstellt, sondern auch strafrechtliche Folgen hat. Eine nur scheinbar unzureichende Kommunikation mit dem im Home-Office befindlichen Arbeitnehmer oder unzureichende Arbeitsergebnisse begründen jedenfalls keine stabile Grundlage für das Vorliegen eines Arbeitszeitbetruges. Das Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern zeigt, dass dieser Nachweis insbesondere dann sehr schwer zu erbringen ist, wenn der Arbeitnehmer zwar aus Sicht des Arbeitgebers minderwertige Leistungen erbringt, aber gleichwohl gewisse Tätigkeiten dokumentiert hat. Denn selbst wenn der Arbeitnehmer nur eine schwache Leistung an den Tag legt (also ein „Low Performer“) ist, berechtigt dies nicht zu einer einseitigen Kürzung von Arbeitslohn.

 

Sie haben Fragen zum Thema Arbeitsrecht? Schreiben oder sprechen Sie uns gerne an!

Ihr Ansprechpartner: Dr. Baran Kizil, LL.M.

 

Den Beitrag als PDF herunterladen:

Blogbeitrag_LAG-Meck-Pomm