Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seinem jüngst ergangenen Urteil vom 12.11.2024 – 9 AZR 13/24 –, eine Konkretisierung des Konzernprivilegs nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern in einem anderem Konzernunternehmen vorgenommen. Die Pressemitteilung zum Urteil ist abrufbar unter folgendem Link.
Zum Sachverhalt
In der Zeit von Juli 2008 bis April 2020 war der Kläger in dem Unternehmen S-GmbH angestellt. Er erbrachte seine Arbeitsleistung jedoch mit Beginn seiner Beschäftigung nicht bei der S-GmbH, sondern auf dem Werksgelände der Beklagten, wobei die konkreten Umstände bei der Erbringung der Arbeitsleistung ungeklärt ist. Während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses waren die Beklagte und die S-GmbH konzernverbundene Unternehmen.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Er argumentierte, dass die Überlassung an die Beklagte in Ermangelung eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages und der erforderlichen behördlichen Erlaubnis eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung nach § 9 Abs. 1 AÜG darstelle und die Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 AÜG greife, wonach bei unwirksamen Leiharbeitsverhältnisses ein Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten als Entleiherin vorliege. Die Beklagte meinte, dass es einer Erlaubnis zur Überlassung und eines entsprechenden Vertrages nicht bedurft habe, da der Kläger in einem Konzernunternehmen eingesetzt war und insoweit das sog. Konzernprivileg des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG greife. Dieser Auffassung schlossen sich die Vorinstanzen an und wiesen die Klage ab.
Entscheidung des BAG
Das BAG teilte die Ansicht der Vorinstanzen allerdings nicht und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zurück.
Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG besteht eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des AÜG, wenn „zwischen Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird,“ (sog. Konzernprivileg).
Das BAG nahm – anders als die Vorinstanzen – eine abweichende Interpretation des Wortlauts des vorstehenden Normtexts vor. Das Konzernprivileg ist nach Ansicht des BAG nicht nur dann unanwendbar, wenn die Einstellung „und“ die Beschäftigung zum Zweck der Überlassung erfolgen. Vielmehr sei die Konjunktion „und“ in dem § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG als Aufzählung der bezeichneten Sachverhalte zu verstehen. Nach dem gesetzgeberischen Willen komme das Konzernprivileg auch dann nicht zur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt „oder“ beschäftigt wird, was regelmäßig der Fall sei, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn der Beschäftigung über mehrere Jahre hinweg durchgehend als Leiharbeitnehmer eingesetzt wurde. Das war aber vorliegend der Fall, so dass das Privileg nicht greife. Das Landesarbeitsgericht wird aber nach Zurückverweisung die weiteren Voraussetzungen für das Vorliegen eines Arbeitnehmerüberlassung zu prüfen haben, was bisher nicht erfolgt war.
Folgen für die Praxis
Mit seiner Auslegung des Konzernprivilegs schränkt das BAG den Handlungsspielraum für Unternehmen deutlich ein. Für den Fall, dass eine Überlassung nicht schon zu Beginn erfolgt, wird künftig weiterhin der Ausnahmetatbestand greifen. Jedoch wird vor dem Einsatz von (neuen) Arbeitnehmern strenger auf den Einsatz im Konzern zu achten sein.
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