Geldentschädigung bei übermäßiger Videoüberwachung – Urteil des LAG Hamm

Das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG Hamm) hat mit Urteil vom 28.05.2025 (Az. 18 SLa 959/24) die Konsequenzen rechtswidriger Videoüberwachung am Arbeitsplatz deutlich gemacht und entschieden, dass dem Arbeitnehmer eine Geldentschädigung in Höhe von 15.000,00 EUR zusteht. Das Urteil des Arbeitsgerichts finden Sie unter folgendem Link.

 

Zum Sachverhalt

Der klagende Arbeitnehmer war als Produktionsmitarbeiter bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt, deren Betriebsgelände und -halle über 34 Videokameras überwacht wurden. Im Produktions- und Lagerbereich sowie in den Büros erfolgte eine permanente Aufzeichnung (24 Stunden am Tag und mindestens 48 Stunden Speicherdauer). Der Kläger und seine Kollegen waren praktisch ständig im Aufnahmebereich, sodass jeder Arbeitsschritt, Pausen und Bewegungen – mit Ausnahme der Pausen-, Umkleide- und Sanitärräume – überwacht wurden. Mehrfach wurden Mitarbeitende nach ihrem Aufenthaltsort und Pausenzeiten telefonisch kontrolliert. Der Kläger erhob nach gescheiterten Einigungsversuchen Klage auf Unterlassung und Zahlung einer Geldentschädigung, die nicht unter 7.000,00 EUR Euro liegen sollte.

 

Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund

Das Arbeitsgericht Dortmund hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger wegen schweren rechtswidrigen Eingriffs in sein Persönlichkeitsrecht eine Geldentschädigung in Höhe von 15.000,00 EUR zu zahlen sowie die Überwachung zu unterlassen.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund legte die Beklagte Berufung ein.

 

Urteil des LAG Hamm

Auf die Berufung der Beklagten wies das Landesarbeitsgericht den Unterlassungsanspruch zurück, da mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Wiederholungsgefahr mehr besteht. Ein Unterlassungsanspruch analog § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) setzt voraus, dass weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind, was hier nicht der Fall war.

Zugleich sprach das Landesarbeitsgericht dem Arbeitnehmer eine Geldentschädigung von 15.000,00 EUR zu. Das Gericht stellte eine schwere, schuldhafte und intensive Verletzung des Persönlichkeitsrechts fest, und zwar begründet durch die übermäßige und anlasslose Kameraüberwachung.

Nach Ansicht des LAG Hamm genügten die Installation und der Betrieb der Kameras den gesetzlichen Bestimmungen nach § 4 und § 26 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) nicht. Insbesondere fehlte es an einer wirksamen Einwilligung des Arbeitnehmers sowie an konkreten Verdachtsmomenten für strafbares Verhalten. Die Kamerabeobachtung war unverhältnismäßig, da mildere Mittel wie die Überwachung des Außengeländes nicht ausgeschöpft wurden und konkrete Risiken kaum benannt wurden. Die Überwachung war zwar offen, also nicht versteckt, aber die Intensität, Dauer (22 Monate) und die Reichweite machten den Eingriff besonders schwerwiegend. Hinzu kommt, dass die Nutzung der Daten nicht ausreichend begrenzt war.

 

Folgen für die Praxis

Das Urteil des LAG Hamm macht einmal mehr deutlich, dass Videoüberwachung am Arbeitsplatz rechtlich hohen Maßstäben genügen muss und in alle Aspekte planmäßig zu prüfen sind, wie etwa Rechtmäßigkeit, Verhältnismäßigkeit, Einwilligung und sachlicher Zweck. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht kann gravierende Haftungsfolgen für Arbeitgeber auslösen.

Für Arbeitgeber gilt: Videoüberwachung muss u.a. notwendig, verhältnismäßig und datenschutzkonform sein. Eine allgemeine Überwachung ohne konkrete Verdachtsmomente oder individuelle Einwilligungen ist rechtlich riskant und schiebt einen extremen Anpassungsdruck auf die Arbeitnehmer. Schon die andauernde Wahrnehmung, stets beobachtet zu sein, kann eine erhebliche Belastung darstellen und Geldentschädigungsansprüche begründen.

 

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Ihre Ansprechpartner: Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Baran Kizil, LL.M.  und Rechtsanwältin Mara Lesch

 

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LTMK Blogbeitrag Videoüberwachung