Abberufung eines Datenschutzbeauftragten u.a. – Vorabentscheidungsersuchen des BAG

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Beschluss vom 27.04.2021, Az. 9 AZR 383/19 (A), (abrufbar unter folgendem Link) zentrale Fragen im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Datenschutzbeauftragten vorgelegt. Das BAG fragt u.a., ob das nationale Recht strengere Anforderungen an die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten stellen darf als das EU-Recht, und, ob die Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten als Betriebsratsmitglied zu einem Interessenkonflikt führt.

 

Zum Sachverhalt

Der Kläger ist Arbeitnehmer und Vorsitzender des bei der beklagten Arbeitgeberin gebildeten Betriebsrats. Zugleich war der Kläger bestellter betrieblicher Datenschutzbeauftragter der Arbeitgeberin.

Im Mai 2018 erklärte die Beklagte unter Hinweis auf betriebsbedingte Gründe die Abberufung des Klägers als Datenschutzbeauftragten mit sofortiger Wirkung.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung des Fortbestehens seiner Stellung als Datenschutzbeauftragter. Die Beklagte vertrat die Ansicht, dass Interessenkonflikte drohten, wenn der Kläger zugleich Datenschutzbeauftragter und Betriebsratsvorsitzender sei. Die Unvereinbarkeit beider Ämter stelle einen wichtigen Grund zur Abberufung des Klägers dar.

Nachdem die Vorinstanzen der Klage stattgegeben hatten, begehrt die Beklagte mit der Revision vor dem BAG die Klageabweisung.

 

Erläuterungen des BAG

Nach Ansicht des BAG rechtfertigt der Sachverhalt auf Grund der strengen Anforderungen des nationalen Rechts die Abberufung bei Anwendung des deutschen Rechts nicht. Nach der einschlägigen Regelung des § 6 Abs. 4 Satz 1 (i.V.m. § 38 Abs. 2) Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist die Abberufung des (verpflichtend bestellten) Datenschutzbeauftragten nur in entsprechender Anwendung des § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aus wichtigem Grund zulässig. Damit sind die Anforderungen an die Abberufung nach deutschem Recht höher als die Vorgaben des EU-Rechts. Nach Art. 38 Abs. 3 Satz 2 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist ein wichtiger Grund nicht erforderlich. Vorgesehen ist vielmehr, dass der Datenschutzbeauftragte wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden darf.

Wenn der EuGH feststellen sollte, dass § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG wegen des Anwendungsvorrangs von Unionsrecht nicht angewendet werden darf, wäre die Revision der Beklagten nach Ansicht des BAG erfolgreich. Falls der EuGH aber die höheren Anforderungen des BDSG an eine Abberufung für EU-rechtlich zulässig erachten sollte, wäre aus Sicht des BAG noch zu klären, ob die Doppeltätigkeit als Betriebsratsvorsitzender und betrieblicher Datenschutzbeauftragte zu einem Interessenkonflikt gemäß Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DSGVO führt. Wenn nach EU-Recht ein Interessenkonflikt besteht, wirkt sich dies nämlich auf die Beurteilung des wichtigen Grundes aus.

 

Vorlagefragen des BAG

Das BAG hat das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) im Einzelnen die folgenden Fragen vorgelegt:

1. Ist Art. 38 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden DSGVO) dahin auszulegen, dass er einer Bestimmung des nationalen Rechts, wie hier § 38 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG), entgegensteht, die die Abberufung des Datenschutzbeauftragten durch den Verantwortlichen, der sein Arbeitgeber ist, an die dort genannten Voraussetzungen knüpft, unabhängig davon, ob sie im Wege der Erfüllung seiner Aufgaben erfolgt?

Falls die erste Frage bejaht wird:

2. Steht Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO einer solchen Bestimmung des nationalen Rechts auch dann entgegen, wenn die Benennung des Datenschutzbeauftragten nicht nach Art. 37 Abs. 1 DSGVO verpflichtend ist, sondern nur nach dem Recht des Mitgliedstaats?

Falls die erste Frage bejaht wird:

3. Beruht Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage, insbesondere soweit er Datenschutzbeauftragte erfasst, die in einem Arbeitsverhältnis zum Verantwortlichen stehen?

Falls die erste Frage verneint wird:

4. Liegt ein Interessenkonflikt i.S.v. Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DSGVO vor, wenn der Datenschutzbeauftragte zugleich das Amt des Vorsitzenden des in der verantwortlichen Stelle gebildeten Betriebsrats innehat? Bedarf es für die Annahme eines solchen Interessenkonflikts einer besonderen Aufgabenzuweisung innerhalb des Betriebsrats?

 

Folgen für die Praxis

Streitigkeiten über die Stellung von Datenschutzbeauftragten beschäftigen vermehrt die Arbeitsgerichte. Umso wichtiger ist es, dass Klarheit über die Anforderungen an die Abberufung von Datenschutzbeauftragten herrscht. Bekanntlich stellt die erfolgreiche Berufung auf einen wichtigen Grund nach § 626 BGB Unternehmen vor große Herausforderungen. Dies gilt umso mehr als Arbeitgeber:innen die Beweislast für die Umstände tragen, die eine außerordentlichen Kündigung rechtfertigen sollen.

 

Sie haben Fragen zum Thema Datenschutzrecht? Schreiben oder sprechen Sie uns gerne an!

Ihr Ansprechpartner: Dr. Baran Kizil, LL.M.

 

Den Beitrag als PDF herunterladen:

211028_Blogbeitrag_BAG-BK-LTMK