Steuerrechtliche Hürden bei dem Erwerb einer psychotherapeutischen Praxis

Insbesondere jüngere Psychotherapeuten bzw. Psychotherapeutinnen suchen aktuell den Weg in die Selbstständigkeit und bemühen sich um den Erwerb einer psychotherapeutischen Praxis samt entsprechendem Kassensitz (also die Zulassung bei der Kassenärztlichen Vereinigung). Unser Beitrag zeigt auf, welche Hürden sich hier regelmäßig auftun und gibt erste  Hinweise dazu, was bei einem geplanten Praxiserwerb beachtet werden sollte. 

 

Kassensitz und Praxis – die beiden wesentlichen Faktoren beim Praxiskauf

Bei dem Erwerb einer psychotherapeutischen Praxis und dem damit einhergehenden Schritt in die Selbstständigkeit stehen Erwerber und Erwerberinnen zunächst vor der Frage, ob von der veräußernden Person nur der Kassensitz oder (auch) die Praxis erworben werden soll. Und auch wenn diese Unterscheidung dem ein oder anderen insoweit als künstliche Differenzierung daherkommen sollte:

Die Finanzverwaltung und mit ihr der Bundesfinanzhof sehen zwischen der Praxis und dem Kassensitz einen erheblichen Unterschied und ziehen aus dem Erwerb unterschiedliche Schlüsse.

Grund genug, die beiden Aspekte einmal näher zu beleuchten:

 

Der Kassensitz und dessen steuerliche Behandlung

Der sogenannte Kassensitz verleiht dem jeweiligen Inhaber bzw. der jeweiligen Inhaberin die Berechtigung, psychotherapeutische Leistungen für gesetzlich Versicherte als Vertragspsychotherapeut bzw. Vertragspsychotherapeutin – über die Kassenärztliche Vereinigung – abzurechnen.

Die steuerrechtliche Besonderheit an dem Erwerb des Kassensitzes liegt dabei daran, dass die hiermit verbundene Berechtigung rechtlich und zeitlich unbegrenzt ist, so dass die Steuerverwaltung und auch der Bundesfinanzhof davon ausgehen, dass sich ein solcher Kassensitz nicht nach § 7 Abs. 1 Einkommensteuergesetzabnutzt“. Dies hat zur Folge, dass man die Anschaffungskosten für den (alleinigen) Erwerb des Kassensitzes nach der Anschaffung auch nicht entsprechend abschreiben kann. Bei dem Erwerb einer Praxis sieht dies anders aus:

 

Die „Praxis“ und deren steuerliche Behandlung

Unter dem Begriff der „Praxis“ versteht man den (oft über Jahrzehnte hinweg aufgebauten) Firmen- bzw. Geschäftswert, bestehend aus Patientenbindungen, Know-How, Kontakten, Bekanntheitsgrad, Vernetzung etc. Da die so umschriebene Praxis – insbesondere bei Freiberuflern – naturgemäß von der persönlichen Bindung an den Praxisinhaber bzw. die Praxisinhaberin geprägt wird, geht die Rechtsprechung davon aus, dass sich diesbezüglich die wertbildenden Faktoren mit der Zeit verändern. Mit anderen Worten: Der Praxiswert nutzt sich sukzessive ab.

Der Bundesfinanzhof geht mit Blick auf freiberufliche Praxen davon aus, dass sich der Praxiswert für entgeltlich erworbene Einzelpraxen nach einer etwa drei- bis fünfjährigen Nutzungsdauer abgenutzt hat (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 1994, IV R 33/93, BFHE 174, 230, BStBl II 1994, 590,  dort unter 4., abrufbar unter folgendem Link).

Hinweis: Bei Eintritt in eine bestehende Praxis bzw. Zusammenschluss beträgt die Abschreibungsdauer sechs bis zehn Jahre, da in diesem Fall der Praxiswert nach Ansicht der Rechtsprechung länger anhält.

Dies hat zur Folge, dass die entsprechenden Anschaffungskosten für die Praxis steuermindernd abgeschrieben werden können. Ein großer Vorteil im Vergleich zum Erwerb des Kassensitzes.

 

Chancenpaket“ aus Praxis und Kassensitz

Aufgrund der dargestellten Unterschiede ist bei dem Erwerb einer psychotherapeutischen Praxis und der diesbezüglichen Vertragsgestaltung stets ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, ob der Kassensitz oder nicht doch auch die Praxis erworben werden soll.

Dabei sollte tunlichst darauf geachtet werden, dass nicht versehentlich ausgeführt wird, dass nur der Kassensitz verkauft werden soll, wenn eigentlich die Übernahme der gesamten Praxiswerte zuzüglich des Kassensitzes erfolgen soll. Letzteren Falls wird nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nämlich ein „Chancenpaket“ verkauft, was zur Folge hat, dass der hierauf gezahlte Kaufpreis abgeschrieben werden kann (vgl.  hierzu BFH Urteil v. 21.02.2017 – VIII R 7/14 BStBl 2017 II S. 689, abrufbar unter folgendem Link).

Nicht zuletzt zur Vermeidung unnötiger Auseinandersetzungen  mit den Finanzbehörden empfehlen wir daher jedem Praxiserwerber und jeder Praxiserwerberin die frühzeitige Hinzuziehung fachkundiger Hilfe.

 

Sie haben Fragen zum Thema Steuerrecht? Schreiben oder sprechen Sie uns gerne an!

Ihre Ansprechpartner: Henrique Leimkuhl-Schulz | Demis Tarampouskas

 

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LTMK Blogbeitrag Praxiserwerb 15-04-2021