Urheberrechtsreform: Upload-Filter, kollektive Lizenzen, Data Mining u.v.m.

Die Bundesregierung hat im Februar 2021 einen Gesetzentwurf zur Überarbeitung des Urheberrechts auf den Weg gebracht. Es handelt sich dabei um die größte Urheberrechtsreform seit zwei Jahrzehnten, die zugleich dazu dient, das deutsche Urheberrecht an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes in der Europäischen Union anzupassen. Die Änderungen betreffen u.a. die viel diskutierte Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen wie YouTube für nutzergenerierte Inhalte. Daneben geht es um weitere Themen wie Text und Data Mining aus dem Bereich des Big Data, kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung, Presseverleger-Leistungsschutzrecht, Verlegerbeteiligung und Urhebervertragsrecht.

 

Wesentlicher Inhalt und Hintergrund der Neuerungen

Der Entwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) vom 03.02.2021 enthält essentielle Änderungen des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) und des Verwertungsgesellschaftengesetzes (VGG) sowie die Schaffung eines neuen Gesetzes – des „Urheber-Diensteanbieter-Gesetzes“ (UrhDaG-Entwurf).

Hintergrund der Neuregelungen ist die Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt, kurz der DSM-RL (EU 2019/790), welche entsprechend Artikel 29 Absatz 1 der DSM-RL bis zum 07.06.2021 zu erfolgen hat.

 

Entscheidung des EuGHs in Sachen „Pelham“

Der Druck auf den deutschen Gesetzgeber hat sich zusätzlich dadurch erhöht, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache „Pelham“ vom 29.07.2019 (C-476/17) die Bestimmung des aktuellen § 24 UrhG als mit dem Unionsrecht nicht vereinbar erklärte. In dieser Rechtssache stritten die Parteien über die Zulässigkeit des Samplings, also des elektronischen Kopierens von Audiofragmenten. Der EuGH erachtete diesen Vorgang grundsätzlich als einen Eingriff in die Rechte des Urhebers, sofern sie ohne Zustimmung erfolgte. Jedoch sei das Sampeln als Ausdruck der Kunstfreiheit des Produzenten und insbesondere stilprägendes Element des Hip-Hops und sei dann keine Rechtsverletzung, wenn die neuen Inhalte soweit verändert werden, dass sie nicht wiedererkennbar sind, um ein neues Werk zu schaffen. Infolge der Entscheidung des EuGHs fällt der aktuelle § 24 UrhG weg.

 

Die Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen

Mit dem neuen Urheber-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG-Entwurf) sollen Aktivitäten im Bereich Social Media (also wenn etwa Nutzer u.a. auf Facebook, TikTok durch Hinzufügen von Bildern, Musik und Zitaten neue Inhalte generieren) auf eine neue Grundlage gestellt und die Verantwortlichkeit solcher Plattformen für die Inhalte geregelt werden.

Dem Entwurf zufolge sind die Plattformen grundsätzlich urheberrechtlich verantwortlich für solche Inhalte und können sich nur dann haftungsrechtlich befreien, sofern sie den konkret geregelten Sorgfaltspflichten nachkommen. So haben Plattformanbieter beispielsweise die Pflicht, für die öffentliche Wiedergabe von Inhalten Lizenzen zu erwerben. Wenn eine Erlaubnis nicht vorliegt, muss der Plattformanbieter auf Hinweis des Rechtsinhabers die Inhalte entfernen, §§ 7, 8 UrhDaG-Entwurf.

Zugleich wird die Rechtsprechung des EuGHs zu mutmaßlich erlaubten Nutzungen übernommen. Danach sind die Nutzungen von geschützten Werken als Ausdruck der Kunstfreiheit und sozialen Kommunikation zu den Zwecken von Zitat, Karikatur, Parodie und Pastiche erlaubt, § 5 UrhG-Entwurf. Gemäß § 9 Absatz 2 UrhG-Entwurf wird vermutet, dass solche Inhalte mutmaßlich erlaubt sind, wenn sie in geringem Umfang genutzt werden und der Nutzer dies als erlaubt gekennzeichnet hat. Der geringe Umfang als Bagatellgrenze ist erreicht, wenn die Inhalte quantitativ betrachtet weniger als die Hälfte eines Werkes beinhalten, d.h. bei Tonspuren nicht mehr als 15 Sekunden betragen, bei Zitaten nicht mehr als 160 Zeichen, bei Filmen und Laufbildern nicht mehr als 15 Sekunden und bei Lichtbildern und Grafikern nicht mehr als 125 Kilobyte. Oberhalb der Bagatellgrenze gilt die Vermutungsregel nicht.

Sofern der Rechtsinhaber die Inhalte sperren lassen möchte, so muss er ein Beschwerdeverfahren gemäß §§ 9-12, 14, 15 UrhDaG-Entwurf einleiten und die erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen. Die Sperrung muss dabei allerfings verhältnismäßig sein.

Die Rechtsinhaber haben zudem einen Vergütungsanspruch gegen die Anbieter nach § 4 Absatz 3 UrhDaG-Entwurf. Dadurch soll eine pauschalierte Beteiligung der Kreativen an den Einnahmen der Diensteanbieter. Diese sollen in der Praxis über Verträge von Verwertungsgesellschaften mit den Diensteanbietern realisiert werden.

 

Weitere wesentliche Neuerungen

Zu den weiteren wesentlichen Neuerungen zählen u.a. die Folgenden:

Mit der Reform werden kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung eingeführt, sog. „Extended Collective Licenses“ (ECL). Das Konzept stammt aus Skandinavien und hat eine Dreieckskonstellation im Auge – Verwertungsgesellschaften-Rechteinhaber-Lizenznehmer. Damit wird der Ansatz verfolgt, die Nutzung einer größeren Anzahl von Werken auf vertraglicher Basis zu erleichtern.

Das Text- und Data-Mining, eine Schlüsseltechnologie für maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz, hat nun eine gesetzliche Grundlage in den §§ 44b, 60d UrhG-Entwurf.

Ebenso werden geregelt der digitale und grenzüberschreitende Unterricht und Lehre für Schulen und Universitäten in §§ 60a, 60b UrhG-Entwurf.

Die Presseverleger erhalten ein neues Leistungsschutzrecht, geregelt in den §§ 87f – 87k UrhG-Entwurf.

Schließlich ist das in der Praxis sehr relevante Urhebervertragsrecht zu nennen. Insoweit ändert sich, dass die angemessene Vergütung (§ 32 UrhG-Entwurf), die weitere Beteiligung des Urhebers (§ 32a UrhG-Entwurf), die Auskunft und Rechenschaft des Vertragspartners (§ 32d UrhG-Entwurf), Dritter in der Lizenzkette, Vertretung von Kreativen durch Vereinigungen (§ 32g UrhG-Entwurf) umgestaltet bzw. eingeführt werden.

 

Aussichten für die Praxis

Mit dem verabschiedeten Gesetzespaket dürfte die Bundesregierung zunächst auf dem Papier eine gute Kompromisslösung gefunden haben. Ob die unterschiedlichen widerstreitenden Interessen, namentlich die Interessen der Kreativwirtschaft, der Verwertungsgesellschaften, der Plattformanbieter und der Nutzer hinreichend Beachtung gefunden haben, wird sich zeigen. Klar dürfte sein, dass mit den Neuerungen eine Stärkung von Kreativen einhergeht. In der Praxis wird sich zudem zu zeigen haben, ob es tatsächlich zu einem befürchteten Overblocking kommt. Festzuhalten bleibt aber, dass mit der Reform überfällige Neuerungen umgesetzt werden, die im Zuge der Digitalisierung notwendig sind.

 

Sie haben Fragen zum Thema Urheber- und Medienrecht? Schreiben oder sprechen Sie uns gerne an!

Ihr Ansprechpartner: Dr. Baran Kizil, LL.M.

 

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