Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 17.07.2025 (IX ZR 70/24) zentrale Fragen zur Werklohn-Fälligkeit bei Insolvenz des Auftragnehmers entschieden. Bei teilbaren Leistungen wird der Vergütungsanspruch für den vor Insolvenzeröffnung erbrachten Leistungsteil insolvenzrechtlich selbstständig. Eine Abnahme ist für dessen Fälligkeit nicht erforderlich. Das Urteil ist abrufbar unter folgendem Link.
Zum Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines selbstständigen Dachdecker- und Zimmerermeisters. Zwischen Oktober 2019 und März 2021 erbrachte der Schuldner Leistungen auf Basis eines VOB/B-Nachunternehmervertrags und rechnete nach Einheitspreisen ab. Nach einer Schlussrechnung mit offener Restforderung rügte die Auftraggeberin Mängel und zahlte weitere 20.000,00 EUR. Nach der Beweisaufnahme zu Mängeln lehnte der Insolvenzverwalter die weitere Vertragserfüllung ab und verlangte Werklohn für die bereits erbrachten Teilleistungen.
Das zuständige Landgericht und das Berufungsgericht verneinten die Fälligkeit mangels Abnahme. Die Vorinstanzen entschieden, dass ohne Abnahme keine Fälligkeit bestehe und die Erfüllungsablehnung kein Abrechnungsverhältnis begründe.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zurück. Der BGH bejahte demgegenüber eine insolvenzrechtliche Vertragsspaltung und die Fälligkeit des anteiligen Werklohns ohne Abnahme, wenn die Leistungen teilbar und ihr Wert objektiv bestimmbar sind.
Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird ein beiderseits nicht vollständig erfüllter Werkvertrag – sofern die Leistungen teilbar sind – in einen erfüllten und einen nicht erfüllten Teil aufgespalten. Die Vergütung für den bereits erfüllten Teil wird insolvenzrechtlich selbstständig und kann zur Masse gezogen werden, ohne dass der Verwalter den Vertrag insgesamt erfüllen muss. Der BGH knüpft insoweit an die insolvenzrechtliche Dogmatik der §§ 103, 105 Insolvenzordnung (InsO) an.
Auf dieser Grundlage erklärt der BGH das Abnahmeerfordernis für den vorinsolvenzlichen, teilbaren Leistungsteil für insolvenzrechtlich unerheblich. Die Fälligkeit tritt ohne Abnahme ein, sobald der Wert des mangelfreien Teils objektiv feststellbar ist – erforderlichenfalls durch Sachverständige. Mängel mindern den Anspruch um die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten, schließen ihn aber nicht aus. Der Senat betont weiter, dass Erfüllung im Sinne des § 103 InsO selbst nach Abnahme nicht vorliegt, solange beseitigungsfähige Mängel bestehen. Nacherfüllung ist eine modifizierte Fortsetzung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs und fällt in den nicht erfüllten Vertragsteil. Die Folge ist, dass der Vergütungsanspruch für den erfüllten Teil der Masse zusteht, die Nacherfüllung verbleibt im anderen, der Wahl des Verwalters unterliegenden Teil.
Für den vor Insolvenzeröffnung erbrachten, teilbaren Leistungsteil entfällt das Abnahmeerfordernis als Fälligkeitsvoraussetzung. Denn die insolvenzrechtliche Vertragsspaltung macht den anteiligen Werklohnanspruch eigenständig und verhindert eine faktische „Erfüllungszwangslage“ des Insolvenzverwalters. Der BGH grenzt sich damit von der werkvertraglichen Linie des VII. Zivilsenats ab, der die Fälligkeit nach Kündigung grundsätzlich an die Abnahme knüpft (BGH, Urteil vom 11.05.2006 – VII ZR 146/04). Die Abnahmefrage sei für die insolvenzrechtliche Fälligkeit des anteiligen Werklohns ohne Relevanz. Der Wert der mangelfreien Teilleistung ist objektiv zu bestimmen; Sachverständigenbeistand ist ausdrücklich vorgesehen. Diese Vorgehensweise sichert zugleich die berechtigten Einwände des Auftraggebers über Mängelbeseitigungskosten.
Folgen für die Praxis
Das Urteil des BGH stärkt die Position von Insolvenzverwaltern und bringt zugleich Klarheit für Auftraggeber, die sich bisher auf das Abnahmeerfordernis berufen konnten. Es bringt insofern Klarheit, als bei Insolvenz des Auftragnehmers und teilbarer Leistung der Werklohnanspruch für den vorinsolvenzlichen, mangelfreien Leistungsteil ohne Abnahme fällig ist. Das ist ein deutlicher Schritt weg von einer werkvertraglich geprägten Abnahmevoraussetzung hin zu einer insolvenzrechtlich geprägten, wirtschaftlichen Betrachtung der Teilleistung. Für Auftraggeber bedeutet das, die Einhaltung und Dokumentation technischer Standards, Mängelrügen und seriöse Kostenschätzungen werden noch wichtiger, um berechtigte Kürzungen durchzusetzen.
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